von Gustav Geiger
mit Ergänzungen von Helmut Wittmann und Rudolf Edinger
Die sozialdemokratische Partei ist die traditionsreichste deutsche Partei. Seit mehr als 150 Jahren setzt sie sich für Freiheit und soziale Gerechtigkeit ein. Wie keine andere Partei steht sie für Demokratie und Fortschritt. Ihre Wurzeln reichen bis in die Zeit der Revolution von 1848 zurück. Im Folgenden wird die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei in Geisenheim beschrieben, die zum 75 jährigen Bestehen des Ortsvereins aus den Erinnerungen von Gustav Geiger erstellt wurde.
Vor dem ersten Weltkrieg gab es in der Stadt Geisenheim zwar schon sozialdemokratische Wähler, aber keine Parteiorganisation.
Ortsvereinsgründung:
1919 wurde in Geisenheim ein Ortsverein der SPD gegründet.
Von den damals bekannten Sozialdemokraten sind mir noch folgende Namen in Erinnerung:
- Martin Scholl
der war sicher auch damals der 1. Vorsitzende des neu gegründeten Ortsvereins. Er war Leiter der Filiale des Konsumvereins Biebrich und Umgebung. Der Laden war in seinem Haus an der Ecke Bahnstraße und der jetzigen Peter-Spring-Straße. Bei der ersten Wahl zur Stadtverordnetenversammlung der Stadt Geisenheim war er Spitzenkandidat der SPD. - Wilhelm Klunk
er war Dreher in der Maschinenfabrik Johannisberg und wohnte in der jetzigen Peter-Spring-Straße - Franz Thiele
er war Modellschreiner in der Maschinenfabrik Johannisberg - Wendelin Christ
ich glaube, dass er ebenfalls in der Maschinenfabrik gearbeitet hat - Johann Kreis
ein Winzer - Frau Ernestine Spitz
- Georg Geiger
Mein Vater war zu dieser Zeit Mitglied im Magistrat der Stadt Geisenheim und nach meiner Erinnerung mit ihm zugleich noch ein Buchdrucker Knauf. Er war in der damaligen Buchdruckerei Jander tätig.
Der Ortsverein gehörte zu der Kreisorganisation Rheingau. Der Untertaunuskreis, Wiesbaden und der Rheingaukreis bildeten den Verwaltungsbezirk Wiesbaden der SPD.
Parteisekretär war Richard Otto aus Wiesbaden. Er nahm regelmäßig an den Kreiskonferenzen teil, die in der Regel an einem Sonntagvormittag in Mittelheim im Gasthaus „Bohnesupp“ stattfanden.
1923 konnte die Reichsregierung die im Friedensvertrag von Versailles festgelegten Reparationen nicht mehr zahlen und stellte die Zahlungen ein. Bei diesem passiven Widerstand gab es oft Schwierigkeiten mit der französischen Besatzungsbehörde. Meinem Vater, der Mitglied des Magistrates war, wurde der Zugang zum Geisenheimer Rathaus verwehrt. Bürgermeister Stahl war aus dem besetzten Gebiet ausgewiesen worden. Damals wurde die „Rheinische Republik“ ausgerufen, die Unterstützung bei der französischen Besatzungsbehörde fand. In Geisenheim hatte sie nur wenige Anhänger. Was man in Geisenheim davon bemerkte, war die grün-weißrote Fahne am Rathaus.
1924 erfolgte dann die Währungsreform. Eine Billion Mark war jetzt eine Reichsmark wert. In der Stadtverordnetenversammlung von Geisenheim waren folgende Parteien vertreten: Sozialdemokratische Partei, Zentrum, Demokratische Partei und Deutsche Volkspartei. Stadtverordnetenvorsteher war Sanitätsrat Dr. Ehrhardt von der Deutschen Volks-Partei.
Aus der Zeit von 1924 bis 1933 sind mir noch folgende Namen von Sozialdemokraten bekannt, die in der Stadtverordnetenversammlung, im Magistrat oder im Ortsverein stark engagiert waren:
- Wilhelm Klunk
- Franz Thiele
- Wendelin Christ
- Karl Müller
- Johann Geiß
- Bernhardt Schiffler
- Karl Nagel
- Karl Eisen
- Leonhard Schiffler
- Josef Spring
- Franz Schönwetter
- Albert Diehl und
- Georg Geiger
der außerdem im Kreisausschuß des Rheingaukreises Mitglied war.
Von 1922 bis 1932 bestand in Geisenheim auch eine Gruppe der Sozialistischen Arbeiterjugend. Vorsitzender bis 1929 war meist Gustav Geiger. Dann kam der Zusammenschluss mit Winkel.
1929 fand auch ein Unterbezirks-Jugendtag in Geisenheim statt. Das inzwischen gegründete Reichsbanner „Schwarz- Rot-Gold“ bestand fast nur aus Sozialdemokraten. 1932 wurde Gustav Geiger Vorsitzender der SPD in Geisenheim.
Bei der Reichstagswahl hatten wir auch die Orte Ransel, Espenschied, Lipporn, Strüth und Welterod mit Plakaten und Flugblättern zu versorgen. Es wurde mit dem Fahrrad gefahren. Dabei waren meistens: Wilhelm Pfeifer, Herbert Thiele, Heinrich Buxthaler, Franz Schönwetter und Gustav Geiger.
1932 kam es auch zur Bildung der „Eisernen Front“.
Leiter der Eisernen Front war Peter Spring, Stellvertreter war Gustav Geiger. Die letzte große Kundgebung der Eisernen Front fand am Rhein auf der Bleiche, bei dem Hübbel in der Nähe des Hotels „Deutsches Haus“ statt. Im dicht gefüllten Saal des Deutschen Hauses wurde die Kundgebung fortgesetzt.
NS-Zeit
Mit der Machtübernahme der Nazis am 30. Januar 1933 gab es viele nächtliche Hausdurchsuchungen bei Sozialdemokraten.
Folgende Sozialdemokraten wurden aus politischen Gründen entlassen:
Bei der Hessischen Lehr- und Forschungsanstalt in Geisenheim Karl Eisen, Materialverwalter und Beamter. Er wurde durch den SS-Mann Raimund Zender ersetzt.
Peter Spring, von Beruf Obstbauinspektor wurde durch Edwin Sturke ersetzt, der damals eine führende Rolle in der Geisenheimer NSDAP hatte.
Leonhard Schiffler und Theodor Hoffmann waren Weinbergsarbeiter im Weinbaubetrieb der Lehr- und Forschungsanstalt.
Bei der Stadt Geisenheim verloren ihren Arbeitsplatz:
Anton Mack, Verwaltungsangestellter,
Martin Hofmann der Vater von Theo und Albert Gehl. Dafür wurden eingestellt: die SA-Leute Adam Bach und Christian Merkator.
Im März fand auch noch einmal eine Kommunalwahl statt. Spitzenkandidat war Peter Spring auf der Kandidatenliste der SPD für die Stadtverordneten-Wahl. Sein Bruder Josef Spring war jetzt Vorsitzender des Ortsvereins der SPD Geisenheim. Die SPD erhielt noch vier oder fünf Stadtverordnetenmandate. Den Vertretern der SPD wurde jedoch der Zutritt zur Stadtverordnetenversammlung durch SA-Leute verwehrt. Als dann der Nazi-Terror immer mehr zunahm, erklärte der Ortsverband der SPD im Geisenheimer „Lokalanzeiger“, dass der Ortsverein aufgelöst sei und die Mitglieder von ihren Pflichten entbunden wären.
Georg Geiger und der Parteisekretär Richard Otto aus Wiesbaden gingen danach zur Redaktion des Lokalanzeigers und erklärten, die SPD in Geisenheim bestehe weiterhin, es seien nur einige Leute ausgetreten. Das wurde auch veröffentlicht, und dazu gehörte damals schon großer Mut.
Nach dem Anschlag auf Adolf Hitler im Juli 1944 wurden mehrere Sozialdemokraten, die 1933 auf der Kandidatenliste zur Stadtverordnetenversammlung gestanden hatten, verhaftet.
Peter Spring kam in das Konzentrationslager Dachau und ist dort im Frühjahr 1945 verstorben. Die anderen wurden wieder entlassen. Dann kam der Zusammenbruch und das Ende des Krieges.
Nach dem Kriegsende gab es in Geisenheim einen von der Militärregierung zugelassenen Ausschuss, der aus fünf Mitgliedern verschiedener politischer Richtungen bestand. Der so genannte „Fünfer Ausschuss“. Im Oktober 1945 fand auf Kreisebene die Wiedergründung der Sozialdemokratischen Partei statt. Die Gründungsversammlung war im Lokal „Deutsches Haus“ in Geisenheim, im gleichen Saal, in dem die letzte Kundgebung der „Eisernen Front“ stattgefunden hatte. Festredner war Johannes Maas aus Wiesbaden, der aus dem KZ Dachau wieder zurück gekommen war.
Auch in Geisenheim war 1945 wieder ein Ortsverein der SPD gegründet worden. Vorsitzender war Gustav Geiger, zweiter Vorsitzender Valentin Hofmann, der dann später (1947) den ersten Vorsitz übernahm. Anfang 1946 wurde die erste Stadtverordnetenversammlung nach dem Kriege in Geisenheim gewählt, die zunächst aus sieben Mitgliedern bestand.
Davon erhielt die SPD nur zwei Mandate, die restlichen fünf erhielt die CDU.
1948 gab es wieder eine Stadtverordneten-Wahl. Die Stadtverordnetenversammlung bestand jetzt aus 18 Stadtverordneten. Davon erhielten die SPD 9 Mandate, darunter ein nicht parteigebundener Heimatvertriebener, die FDP ein Mandat und die CDU 8.
Auf Vorschlag der SPD wurde Konrad Braden zum Bürgermeister der Stadt Geisenheim gewählt. Zu Ehren von Peter Spring, der im KZ Dachau umgekommen war, wurde auf Vorschlag der SPD eine Straße benannt, und im Sitzungssaal der Stadtverordneten ein Bild angebracht.
Wilhelm Klunk und Franz Schönwetter, die schon vor 1933 in der Kommunalpolitik tätig waren, wurden jetzt Mitglieder des Magistrats. Wilhelm Klunk wurde als Erster Beigeordneter Stellvertreter des Bürgermeisters und dann auch Ehrenbürger der Stadt Geisenheim.
Bei der Gemeindewahl im Jahr 1952 erhielten die SPD 7, die CDU 6, die FDP 3 und der Bund der Heimatvertriebenen 2 Stadtverordnete. Konrad Braden wurde auf Vorschlag der SPD wieder zum
Bürgermeister gewählt.
1956 erhielten SPD und CDU je 7 Stadtverordnete, die FDP und der Bund der Heimatvertriebenen je 2.
1957 wurde die Stadtverordnetenversammlung wegen Beschlussunfähigkeit aufgelöst. Alle Vertreter der CDU und FDP hatten ihre Mandate niedergelegt. Anlass war die Verpachtung der
Geisenheimer Jagd. Jagdpächter war der 1. Vorsitzende der Geisenheimer CDU.
Im Frühjahr 1958 wurde die Stadtverordnetenversammlung neu gewählt. FDP, CDU und BHE hatten sich zu einer so genannten „Geisenheimer Gemeinschaft“ zusammengeschlossen. Die SPD sollte „klein gemacht“ werden. Bei dieser Wahl erhielt die Liste der Geisenheimer Gemeinschaft 10 und die SPD 8 Mandate. Also einen Stadtverordneten mehr als vor der Wahl. Auch im Magistrat hatte die SPD jetzt 3 Sitze, also einen mehr als zuvor. Das „Kleinmachen“ der SPD war also gründlich misslungen.
Bei der Stadtverordnetenwahl 1960 hatten SPD und CDU wieder je 7 Stadtverordnete. FDP und BHE, die sich jetzt zur FDP zusammengeschlossen hatten, erhielten 4 Mandate.
Die meisten Stimmen erhielt die SPD. Stadtverordnetenvorsteher war wieder Gustav Geiger, der 1966 zum Ehrenbürger ernannt wurde.
1962 übernahm Artur Jander den Vorsitz des SPD Ortsvereins von Valentin Hofmann. Bei den Wahlen 1964 und 1966 konnte die SPD ihre Stimmenzahl weiter steigern. Zum Beginn des Jahres 1972 hatten sich die Gemeinde Johannisberg und Geisenheim, bereits vor der absehbaren Gebietsreform, zur Stadt Geisenheim vereinigt. Auch die bis dahin eigenständigen Ortsvereine Johannisberg und Geisenheim schlossen sich zum heutigen SPD „Ortsverein Geisenheim-Johannisberg“ zusammen.
Hans Klein wurde 1972 dessen Vorsitzender.
Bei der ersten Wahl nach diesem Zusammenschluss stellte die SPD 18 von 37 Stadtverordneten. Bürgermeister wurde, auf Vorschlag der SPD, Heinz Friedrich. Durch dessen Amtsführung fiel die SPD bei der Gemeindewahl 1976 auf 13 Stadtverordnete zurück und die CDU erhielt die absolute Mehrheit.
wird fortgesetzt…